Rimac: Vom Garagenprojekt zum Tech-Partner von Porsche

E-Mobilität

25.6.2020

Unter Strom

Mate Rimac baut in Kroatien elektrisch angetriebene Supersportwagen und hat sich als Zulieferer von zuverlässigen und leistungsstarken Batteriesystemen für OEMs etabliert. Auch Porsche hat in Rimac Automobili investiert und arbeitet mit dem Unternehmen im Bereich der Batterietechnologie zusammen.

Sein Lebensweg war bereits früh vorgezeichnet. „Ich war schon immer verrückt nach Autos, noch bevor ich laufen oder sprechen konnte“, erinnert sich Mate Rimac. „Ich weiß nicht, woher das kommt. Mit meiner Familie hat es jedenfalls nichts zu tun.“ Aber ganz egal, wann und wie der 32-Jährige mit dem PS-Virus infiziert wurde, seit seiner Kindheit drehte sich bei ihm fast alles um Autos. Inzwischen hat Mate Rimac seine Leidenschaft zum Beruf gemacht: Seit 2009 leitet er Rimac Automobili, den einzigen Automobilhersteller seines Heimatlandes Kroatien mit Sitz in Sveta Nedelja nahe der Hauptstadt Zagreb. Porsche ist seit 2018 an dem Unternehmen beteiligt.

Verrückt nach Autos: Mate Rimac ist seit seiner Kindheit mit dem PS-Virus infiziert. Heute leitet er Rimac Automobili, den einzigen Automobilhersteller in seiner Heimat Kroatien.

Verrückt nach Autos: Mate Rimac ist seit seiner Kindheit mit dem PS-Virus infiziert. Heute leitet er Rimac Automobili, den einzigen Automobilhersteller in seiner Heimat Kroatien.

Rimacs Spezialität sind elektrisch angetriebene Supersportwagen, von denen zwei Exemplare in der Empfangshalle des Unternehmens stehen. Sie gehören zu den nur acht Stück des ersten Modells „Concept_One“, das mehr als 1.200 PS Leistung, 1.600 Nm Drehmoment und eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 2,5 Sekunden aufweist. Seine Höchstgeschwindigkeit liegt bei 355 km/h. Auf dem Genfer Auto-Salon 2018 präsentierte Rimac Automobili den Nachfolger „C_Two“, der mit vier Elektromotoren – einem pro Rad – mehr als 1.900 PS und 2.300 Nm auf die Straße bringt. Mit Rennreifen schafft er den Sprint von 0 auf 100 km/h in weniger als zwei Sekunden. Bei maximal 412 km/h bleibt die Tachonadel dank der elektronischen Abregelung stehen. 150 Stück des zwei Millionen Euro teuren Elektro-Sportwagens will das Unternehmen bauen.

Die Prototypen Nummer vier und fünf des C_Two stehen in der Werkstatt, wo sich Rimac-Techniker gerade an ihrer Elektronik zu schaffen machen. Im Gang lagert das schwarze, 198 Kilogramm leichte Carbon-Monocoque für ein weiteres Exemplar, nur wenige Schritte von den beiden großen Autoklaven entfernt. In den zylinderförmigen Öfen stellt das Unternehmen alle Komponenten aus Verbundfaserwerkstoffen bei Temperaturen von bis zu 350 °C selbst her. Schräg gegenüber sind Rimac-Mitarbeiterinnen gerade dabei, in Handarbeit CFK-Matten Lage für Lage in Formen aufeinanderzuschichten. Rund 2.000 Stunden Arbeit stecken in jedem Auto.

Mit Handarbeit zum Erfolg

Am Anfang der Rimac-Erfolgsstory stand ebenfalls eine Menge Handarbeit. Als 18-Jähriger kaufte sich der junge PS-Liebhaber einen 3er BMW, der 1984 vom Band gerollt und somit vier Jahre älter war als er. Doch schon beim zweiten Drifting-Rennen platzte der bereits in die Jahre gekommene Motor durch die Überlastung. So kam der passionierte Elektronik-Bastler auf die Idee, es mit einem elektrischen Antriebsstrang zu versuchen. Mit dem E-Motor aus einem Gabelstapler und alten Batterien trat er wieder an und erntete zuerst nur Spott. „Kann ich mit deinem Auto mein Handy laden?“, lautete nur eine der ironischen Fragen von damals.

Aber Rimac war ausdauernd und zeigte es schließlich den Skeptikern. Nach vielen Umbauten schlug er mit seinem elektrifizierten BMW die Konkurrenten mit Verbrennungsmotor und stellte mit dem Oldtimer 2011 gleich fünf FIA-Beschleunigungsweltrekorde auf. Kein Wunder: Dank technischer Verbesserungen hatte das Auto mittlerweile 600 PS Leistung, 900 Nm Drehmoment und konnte in 3,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen. Die extremen Leistungswerte in Kombination mit der grünen Lackfarbe brachten dem BMW den Spitznamen „Grünes Monster“ ein. Beim Rundgang über das Firmengelände sucht man ihn allerdings vergebens. „Der BMW muss restauriert werden, weil ein Freund damit vor einigen Jahren gegen eine Wand gefahren und das Auto darum stark beschädigt ist“, sagt Rimac.

Schmiede elektrischer Supersportwagen: Derzeit bauen und testen die Mitarbeiter von Rimac Automobili die Prototypen des neuen Modells C_Two. Alle Komponenten stellt das Unternehmen selbst her. Im Showroom können Besucher die Rennwagen und E-Bikes der Rimac-Schwestermarke „Greyp“ besichtigen.

Ebenfalls stark mitgenommen ist ein Batteriesystem, das in einer Vitrine auf dem Firmengelände ausgestellt ist. Es musste bei einem Test zwei Minuten im Feuer überstehen und beweisen, dass es auch dieser Extrembelastung standhält. Solche zuverlässigen und leistungsfähigen elektrischen Energiespeicher und ihre Elektronik sind eine Spezialität von Rimac Automobili. Sie werden ebenfalls selbst entwickelt und produziert, einige Kilometer vom Hauptsitz in Sveta Nedelja entfernt und sorgfältig abgeschirmt von neugierigen Blicken. Denn dort entstehen nicht nur Bauteile für den eigenen Bedarf.

„Wir machen 80 Prozent unseres Umsatzes mit dem Verkauf von Komponenten“, erklärt Rimac. „Unsere eigenen Autos sind dafür die besten Aushängeschilder und die perfekte Spielwiese für neue Technologien.“ Zum Zulieferer wurde er aus der Not heraus. Nach seiner Gründung stand das junge Unternehmen ständig vor dem finanziellen Aus. „Uns wurde der Strom abgeschaltet, und ich wusste nicht, wie ich die Löhne bezahlen sollte“, erinnert sich Rimac. „In dieser Zeit bin ich schnell erwachsen geworden.“ Kurz bevor seine letzten Reserven erschöpft waren, fuhr er 2011 nach Frankfurt am Main auf die Internationale Automobilausstellung (IAA), um sein erstes eigenes Auto vorzustellen – und kam mit seinem ersten Auftrag als Zulieferer zurück. Ein Kunde wollte ein Elektroauto bauen und bat Rimac um Unterstützung. „Das war mein Weg, zu überleben und meine damals sechs Mitarbeiter zu bezahlen, denn nun waren sofort Umsätze da.“ Danach wurden es immer mehr Projekte, darunter ganze elektrische Antriebssysteme und Prototypen für Zulieferer und Technologieunternehmen.

Sveta Nedelja ist eine Kleinstadt mit rund 18.000 Einwohnern, die etwa 17 Kilometer vom Stadtzentrum der kroatischen Hauptstadt Zagreb entfernt liegt

Für Mate Rimac war der Schwenk zum Komponentenlieferanten aber nicht nur die Rettung aus einer akuten finanziellen Notlage: „Ohne diese Erfahrungen mit Kunden wären wir wahrscheinlich in die falsche Richtung gelaufen, hätten das Geld von Investoren einfach verbrannt und wären heute wohl tot. Stattdessen haben wir ein Team und Kompetenzen aufgebaut und uns einen Namen als zuverlässige Technologiefirma gemacht.“ So schaffte Rimac ein höchst seltenes Kunststück: Er gründete einen erfolgreichen neuen Automobilhersteller, der inzwischen rund 650 Mitarbeiter beschäftigt.

Seine Expertise auf dem Gebiet elektrischer Antriebe hat nicht nur Kunden aus aller Welt, sondern auch Investoren nach Kroatien gelockt. So hat Porsche beispielsweise seinen Anteil nach dem Einstieg im Jahr 2018 mittlerweile auf 15,5 Prozent erhöht. „Uns war schnell klar, dass Porsche und Rimac viel voneinander lernen können“, sagt Lutz Meschke, stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Vorstand Finanzen und IT der Porsche AG. „Wir sind von Mate Rimac und seiner Firma überzeugt, deshalb haben wir jetzt unsere Anteile erhöht und bauen unsere Zusammenarbeit im Bereich der Batterietechnologie aus.“

650

Mitarbeiter

hat Rimac Automobili.

15,5

%

der Rimac-Anteile

hält die Porsche AG.

Dass batterieelektrischen Antrieben die Zukunft gehört, steht für Mate Rimac fest: „Brennstoffzellen sind keine Alternative, weil man für die Produktion von Wasserstoff sehr viel Energie braucht. Sie bieten höchstens in wenigen Nischen Vorteile, etwa für Busse oder Lkws.“ Für die etablierten OEMs und Zulieferer sieht er durch den neuen Antrieb keine Gefahr heraufziehen: „Früher hat man Verbrennungsmotoren in die Autos eingebaut, in Zukunft werden es eben EMotoren sein. Das macht zunächst keinen großen Unterschied.“

Ein wesentlich größerer Umbruch komme durch das veränderte Nutzerverhalten auf die Branche zu. „Für junge Menschen ist das Auto kein Statussymbol mehr, sondern bloßes Mittel zum Zweck. Und warum sollten sie monatelang fahren lernen, wenn autonome Fahrzeuge bald viel sicherer und effizienter unterwegs sein werden? Heute verursachen Unfälle noch mehr als eine Million Tote weltweit und große volkswirtschaftliche Schäden – unter anderem, weil Menschen nur mit ,zwei schlechten Kameras‘ ausgestattet sind. Autonome Fahrzeuge haben nicht nur bessere Kameras, sondern auch Radarund LidarSensoren. Darum wird der Computer der bessere Fahrer sein.“

In der Mobilitätswelt der Zukunft sind Privatautos etwas für Liebhaber

In Rimacs Zukunftsvision werden darum die meisten Menschen in autonomen und vorwiegend elektrisch betriebenen Fahrzeugen von Carsharingoder RideHailingAnbietern unterwegs sein. „Natürlich wird es auch dann noch Autos im Privatbesitz geben, aber sie werden so sein wie Pferde heute: etwas für Liebhaber. Autos sind die Rennpferde von morgen.“ Kunden der Automobilindustrie wären in der neuen Mobilitätswelt dann keine Privatpersonen mehr, sondern Flottenbetreiber mit ganz klaren Anforderungen an die Fahrzeuge – gewonnen aus den riesigen Datenmengen, die beim täglichen Betrieb anfallen. Sie werden unter anderem Informationen über die Nutzungsgewohnheiten oder das Verhalten der Passagiere während der Fahrt liefern, woraus sich wiederum die geforderten Reichweiten oder Ausstattungsmerkmale ableiten lassen.

„Wir wissen, wie man viel Leistung auf wenig Raum unterbringen kann.“

Mate Rimac

Erfolgreicher Unternehmer: Nur wenigen ist es in den letzten Jahrzehnten gelungen, einen neuen Automobilhersteller zu etablieren. Mate Rimac ist einer davon – dank seiner Erfahrungen als Komponentenlieferant. Seine eigenen Produkte wie der C_Two dienen ihm als Aushängeschilder.

Sein eigenes Unternehmen sieht Rimac gut aufgestellt für die Zukunft. „Wir wissen, wie man viel Leistung auf wenig Raum unterbringen kann. Darum kommen alle zu uns, die ein EFahrzeug oder einen Hybriden mit hoher Performance bauen wollen. Wir können aber auch elektrischen Fahrspaß in den Massenmarkt bringen.“ Mit dem autonomen Fahren befassen sich die Ingenieure in Kroatien ebenfalls, wenn auch für eine sehr spezielle Nische: Der modifizierte C_Two wird einen computergestützten „Driver Coach“ enthalten, der seinem Besitzer dabei helfen soll, bei 300 km/h auf der Rennstrecke ein besserer Fahrer zu werden. „Fahrspaß und autonomes Fahren verbinden“, nennt Mate Rimac das.

Rimac: Meilensteine einer Erfolgsgeschichte

Zusammengefasst

Rimac Automobili ist ein etablierter Hersteller von elektrisch angetriebenen Supersportwagen und Zulieferer von leistungsstarken Batteriesystemen für OEMs weltweit. Gründer Mate Rimac stellte mit einem auf EAntrieb umgerüsteten BMW diverse Weltrekorde auf und glaubt, dass in Zukunft die meisten Menschen in autonomen EAutos unterwegs sein werden.

Info

Text erstmals erschienen im Porsche Engineering Magazin, Ausgabe 1/2020.

Text: Christian Buck
Fotos: Alexander Babic

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